Steckbrief:
Name: Niklas Salm-Reifferscheidt
Ehrenamt: Malteser Hospitaldienst Austria
Wohnbezirk: Urfahr
Was begeistert Sie besonders an Ihrem freiwilligen Engagement?
Da gibt es dieses gewisse wohltuende Gefühl der Freude, das ich bereits als Kind erfahren durfte, wenn mich meine Eltern zu ihren ehrenamtlichen Diensten mit Menschen mit Beeinträchtigungen mitgenommen haben. Man hilft jemandem, der Hilfe braucht. Warum? Weil man es kann. Zurück kommt ein „Danke“, bestehend aus einem Wort, einem Blick, einer Geste oder auf welche Art auch immer. Dieses Danke macht glücklich und man erwidert es erfreut. Diese Freude erfüllt die Betroffenen und die Menschen rundherum; und es halt lange nach.
Dieses „Danke“ hat auch mich angesteckt. Ich helfe, um freudig Danke zu sagen. Danke dafür, dass ich helfen kann.
Seit wann engagieren Sie sich schon freiwillig?
Mit 17 begann ich meine Ausbildung in den Malteser Hospitaldienst Austria. Ich lernte die Grundlagen der Krankenpflege und wurde Rettungssanitäter. Während meines Studiums in Wien war ich ehrenamtlicher Sanitäter im Rettungsdienst, besuchte Menschen in Altersheimen und begleitete bzw. organisierte Sonderdienste wie Reisen oder Ausflüge mit körperlich beeinträchtigten Menschen. Seit 1990 begleite ich ein jährliches Sommerlager für Betreute im Schloss Rosenhof bei Sandl. Viele Jahre habe dieses Sommerlager geleitet, inzwischen ist es in jüngere Hände übergeben und ich schwinge lediglich den Kochlöffel, um die rund 30-50 Teilnehmer zu verköstigen.
2009-2013 hat mich mein Dienst bei den Maltesern auch nach Chile gebracht, wo ich ehrenamtlich an der Botschaft des Malteserordens tätig war. In diese Zeit fielen leider auch das große Erdbeben und der Tsunami in Chile und wir haben die Hilfe von Malteser International koordiniert. Dank des Engagements vieler Freiwilliger konnten wir vor Ort direkt effizient Hilfe leisten und indirekte Hilfe unterstützen. Die humanitäre Hilfe ging über die Erste Hilfe hinaus. In der Stadt Chepica (140.000 Einwohner) half Malteser International kleinen lokalen Handwerkern, damit Aufräumarbeiten und der Wiederaufbau rasch vorangebracht werden konnten. Daraus entwickelte sich ein heute noch existierender Markt für Kleinproduzenten. Der Fischerort Tubul wurde von 12 Meter hohen Tsunamiwellen schwer getroffen, 90% der Bevölkerung verloren ihr Heim, ihre Arbeitsstätte oder Ausrüstung. Die örtliche Krankenstation wurde zerstört und der Arzt verlor sein Leben. Die Malteser übernahmen die gesundheitliche Versorgung, brachten Lebensmittel, Trinkwasser, Lebensmittel und bauten Notunterkünfte.
Meine Erfahrungen vom Erdbeben in Chile kamen leider auch im Jahr 2011 beim Erbeben und Tsunami in Japan zum Einsatz. Aufgrund enger, persönlicher Beziehungen zu Japan, fühle ich mich diesem Land und seinen Menschen besonders verbunden. Schon wenige Tage nach der Katastrophe fand in Zusammenarbeit mit Künstlern des Landestheaters und des Bruckner Orchesters auf Schloss Steyregg ein Benefizkonzert statt. Dies war die Initialzündung für das Projekt des Wiederaufbaus eines völlig zerstörten Kinderheims in Ichinoseki in der Präfektur Iwate. Etliche Großspender (z.B. voestalpine) und Hilfsorganisationen (z.B. Caritas, Ein Herz für Kinder,…) schlossen sich diesem Projekt an und zwei Jahre später konnte ein neues, größeres Kinderheim eröffnet werden, indem auch Waisenkinder der Erdbebenkatastrophe ein neues Zuhause fanden.
Nach dem ich unterschiedliche kleine Funktionen bei den Maltesern innehatte, wurde ich 2021 ins Kommando des Malteser Hospitaldienste Austria berufen und zum Kommandanten gewählt. Damit leitete ich eine der vier bedeutenden österreichischen Rettungsorganisationen mit rund 2.400 ehrenamtlichen Mitgliedern. In meine Amtsperiode fiel auch die unselige Zeit der Pandemie, in der wir Malteser aktiv in Testzentren mitgearbeitet haben und Impfstationen betrieben haben. Unsere großen Reisen und Unternehmungen mit unseren Betreuten mussten leider Großteils durch virtuelle Kommunikation ersetzt werden. Aber schließlich konnten wir doch wieder eine Reise mit rund 400 Personen nach Rom und unsere jährlichen Pilgerfahrten nach Lourdes unternehmen.
In meine Zeit als Kommandant des MHDA fällt auch der Beginn des Ukrainekrieges und der damit einsetzenden Flüchtlingswelle. Wir haben in Wien ein Heim für Mütter mit Kindern eingerichtet und österreichweit über unser Netzwerk die Unterbringung von Flüchtlingen vermittelt. Ich habe zeitweise bis zu 25 Ukrainer bei mir privat untergebracht und eine Familie dauerhaft aufgenommen.
Wir organisierten auch zahlreiche Hilfsgüterlieferungen in die Ukraine.
Ein großes Interesse widme ich den Beziehungen unterschiedlicher Kulturen.
Als Honorarkonsul von Chile in Oberösterreich verbinde ich Chile (meine zweite Heimat) mit meinem geliebten Zuhause in Oberösterreich.
Ich fühle mich auch Japan verbunden, da meine Urgroßmutter Japanerin war. Ihr Vater, Shuzo AOKI, war japanischer Außenminister und hat die Beziehungen Japans zu Deutschland und Österreich geprägt. Ich führe diese Idee fort.
2004 habe ich gemeinsam mit der Stadt Nasushiobara, Tochigi Präfektur, einen Schüleraustausch mit Linz gegründet, der seither mit dem Europagymnasium LISA bestens läuft. Seither wurde über 800 japanischen Schülern ein Aufenthalt in Linz ermöglicht. Aus diesem Schüleraustausch ergab sich 2016 eine Städtepartnerschaft zwischen Linz und Nasushiobara, die sehr aktiv ist. Inzwischen gibt es auch einen virtuellen Austausch zwischen dem Kindergarten der Kreuzschwestern in Linz und einem Kindergarten in Nasushiobara; weiters einen Choraustausch mit dem Stiftergymnasium und ein Kochkursprojekt mit der HBLA Elmberg. Mitglieder des Chores des Stiftergymnasiums dürfen dieses Jahr bei der EXPO in Osaka auftreten und der für die EXPO beauftragte, japanische Caterer HAPPO-EN wird Gerichte darbieten, die Schüler aus Elmberg gemeinsam mit Schülern aus Nasushiobara kreiert haben.
Dank der guten Beziehungen fungierte die Stadt Nasushiobara für die Olympischen und Paralympischen Spiele Tokyo 2020 als Host Town für die Republik Österreich.
Im Zuge der Immigrationswelle wurden 2015 über 250 meist Syrische und Afghanische Flüchtlinge in zwei Unterkünften in meinem Heimatort Steyregg untergebracht. Meine Familie engagierte sich mit unterschiedlichen Projekten wie gemeinsames Kochen, im Sprachcafé der Pfarre oder im Organisieren von Ausflügen. Um den Migranten eine Beschäftigung zu geben, gründeten wir, eine kleine Gruppe von Ehrenamtlichen und der örtlichen Tierarztfamilie, auf einem mir gehörenden Grundstück die sogenannte „Kleine Farm“. Sponsoren haben den Ankauf on Kleintieren wie Ziegen, Schafe, Hühner, Enten, etc. samt dem dafür nötigen Futter ermöglicht und damit die „Patenschaft“ für diese Tiere übernommen. Die Migranten haben diese Tiere unter der Obsorge der Tierärzte gepflegt.
Das Besondere an diesem Projekt war weniger die von uns ursprünglich angedachte „Beschäftigungstherapie“, sondern für uns überraschend viel besser: Die Flüchtlinge konnten sich z.B. für ein paar geschenkte Turnschuhe mit ein paar Eiern bedanken. Sie waren nicht mehr reine Almosenempfänger. Eltern oder Großeltern kamen mit kleinen Kindern zur „Kleinen Farm“ zum Tiere streicheln, und die Flüchtlinge haben stolz ihre Tiere und ihre Arbeit zeigen können.
Freiwilligkeit bedeutet für mich…
Wir sprechen immer vom „Sozialstaat Österreich“. Und ja, Österreich ist ein Sozialstaat mit einem sehr hohen Standard. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Vater Staat kann nicht von sich aus sozial sein. Es genügen dem Staat auch nicht unsere Steuergelder, um ausreichend sozial zu sein. Um einen funktionierenden Sozialstaat zu haben, braucht es uns, das Volk. Es klappt nämlich nur dann, wenn jeder Einzelne von uns (neben seinen bürgerlichen Grundpflichten) nach seinen individuellen Möglichkeiten sein Scherflein dazu beträgt. Dieses gewisse Scherflein leisten wir nicht, weil wir dazu verpflichtet werden, sondern, weil wir uns selbst dazu verpflichten, zum Wohle aller und damit auch zum eigenen Wohl.
Ich versuche meinen Beitrag nach dem Grundsatz der Malteser zu leisten: Helfen dort, wo Not ist.
Anekdote
Als junger Mann habe ich im Mühlviertel als Helfer an einem Sommerlager für körperlich beeinträchtigte Menschen teilgenommen. Mit großem Eifer habe ich mich in meine Aufgabe gestürzt. Und nicht nur ich. Wir Helfer haben Tische und Bänke aufgestellt, Feldbetten aufgebaut, Deckensäcke geschleppt, Sanitäts- und Pflegematerial in die Badezimmer gebracht und angepackt, wo immer es irgendwas zu tun gab. Wir alle. Bis auf einen. Einer unserer Helfer hat es sich auf einer Bank im Hof gemütlich gemacht, eine Bierflasche geöffnet und eine Zigarette angezündet. Ich war richtig sauer auf ihn. Während wir geschuftet haben, hat er sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen – das kann doch nicht wahr sein! Zur Strafe habe ich ihn zum Nachtdienst eingeteilt, den er zu meinem weiteren Ärger prompt mit einem Kollegen gegen ein paar Bier oder Zigaretten eingetauscht hat. Wie kann man nur so asozial sein, dachte ich mir (nicht nur) im Stillen.
Das Sommerlager war ein voller Erfolg und alle sind glücklich wieder abgereist. Auch mir hat es großen Spaß gemacht, bis auf den Ärger mit diesem faulen Kerl, der immer nur im Hof auf der Bank saß und nichts tat. Eins stand fest: Ich werde dafür sorgen, dass dieser Taugenichts nicht mehr zum Sommerlager eingeladen wird.
Später trudelten etliche Bedankungsbriefe unserer Betreuten ein. Und da kam für mich das große Aha-Erlebnis: Alle lobten eben jenen faulen Kerl und hofften, ihn im kommenden Jahr wieder dabei zu haben! Mir fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen. Ich habe zwar präzise und aufmerksam dafür gesorgt, die technischen Bedürfnisse unsern Betreuten zu stillen, habe aber gleichzeitig völlig darin versagt, mich um ihr geselliges Befinden zu kümmern. Diese Aufgabe hat zu meinem Glück eben jener faule Kerl übernommen, der in Wirklichkeit gar nicht faul ein Ohr für unsere Betreuten hatte und bei ihnen war, ihnen geduldig zugehört hat oder selbst einen Schwank aus seinem Leben erzählt hat, während ich unsere Betreuten erfüllt vom Diensteifer völlig vernachlässigt habe.
Es sollte mir eine Lehre sein…